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Chorfest in Leipzig – Bericht


Deutsches Evangelisches Chorfest in Leipzig – mit dem FrauenSingen …
Rheinhessisches in Leipzig

27.–29. Juni 2014
Bewegende Momente beim gemeinsamen Singen von der Caritas, der Liebe Gottes

Das FrauenSingen macht Schule und ist inzwischen eine deutschlandweite „Marke“.
Voces Feminarum (lat. Stimmen der Frauen), der neu gegründete Frauenchor der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau in Leipzig auf den Spuren – nicht von Johann Sebastian Bach – sondern von Hildegard von Bingen.

Etwa 250 Frauen aus ganz Deutschland nahmen am „Workshop Forum FrauenSingen. Hildegard von Bingen“ teil, den Kantorin Bettina Strübel in der Reformierten Kirche in Leipzig während des großen ersten deutschen Evangelischen Chorfestes hielt. Sie alle wollten mehr über Hildegard von Bingen wissen und in die Welt und Musik des Mittelalters eintauchen. Hildegard von Bingen stammt aus Rheinhessen, ihr Kloster Rupertsberg/ Eibingen und die wichtigste Handschrift finden sich im Gebiet der Ev. Kirche von Hessen und Nassau. Folgerichtig wurde der Workshop vom Verband Ev. Chöre in Hessen und Nassau als Beitrag zum großen Evangelischen Chorfest unterstützt – mit Workshop und einem Workshopheft, das in die Musik und Theologie Hildegards einführte und die an den Workshop anschließende musikalische Vesper vollständig abdruckte. Der Frauenchor Voces Feminarum begleitete Workshop und Vesper.

Musik des Mittelalters

Bettina Strübel gab eine sehr informative Einführung zur Musik des Mittelalters, zur mittelalterlichen Stimmung nach Pythagoras mit reinen Quinten, eine Kurzeinführung in Hildegards Leben, Werk und auch in ihre Theologie der Liebe. Die Neumen des Mittelalters sind die Noten, mit denen die Lieder überliefert sind. Damit ging es zum nächsten Punkt: Einzelne Neumen kennenzulernen, sie beispielhaft zu üben und anschließend in den Liedern zu singen – ganz nach der Quelle, der mittelalterlichen Handschrift, die im Workshopheft neben der Transkription, der Übertragung in moderne Notation abgedruckt war. Hier war man in einer Werkstatt, ganz nahe an der Forschung und doch in der Praxis. Bettina Strübel hatte die überlieferten Neumen in eine moderne Notation übertragen und sie für die Einstudierung mit der von ihr mitgebrachten tragbaren Orgel aufbereitet. So sangen einige Frauen mit der Orgel zusammen einen Halteton – den Bordun, der das Fundament der Gesänge bildet. Das Spannendste aber war das Singen der weitgespannten Melodien der Hildegard. Wie wird diese Musik, die meist nur von Spezialensembles gesungen wird, mit über 200 Frauen gelingen und klingen? Voces Feminarum, der neue Frauenchor der EKHN, unterstützte die Frauen dabei, die Lieder zu singen. Es gelang und klang wunderbar!

Die Liebe strömt über in alles

Der Moment war bewegend, als plötzlich Frauen aus ganz Deutschland das Lied Hildegards zur allumfassenden Liebe anstimmten – „die Liebe strömt über in alles“ („Caritas abundat in omnia“). Was Anderes sollte die Welt bewegen?

In Kürze ist das die Theologie Hildegards von Bingen – die Liebe als zentrale Kraft, Gott als die Liebe, die die Welt von Anbeginn und bis zu ihrem Ende zusammenhält.

Das dazugehörige Bild aus der Handschrift Lucca, aus dem Alterswerk der H ildegard, dem Buch der göttlichen Werke (Liber divinorum operum), zeigt die rote Kraft der Liebe, die die Welt umfasst.

Der Zusammenhang von Bild, Lied und Theologie wurde ganz offensichtlich und einleuchtend deutlich. Das traditionelle klösterliche Lied/die Antiphon „Ubi caritas ibi deus est“ („wo die Liebe ist, da ist Gott“) verdeutlichte den zentralen Aspekt der Theologie von Hildegard.

Gott weiblich als Vision

Die Vesper, die traditionell die FrauenSingen-Veranstaltungen beschließt, wurde mit dem Lied der Miriam / im Zusammenklang mit dem Magnificat, dem Gesang der Maria, und Texten in frauengerechter Sprache gefeiert – ein Psalm, der vom Schutz der Ewigen spricht, gibt uns Frauen Mut, unsere Gottesbilder auch weiblich zu denken. Bewegend auch, als der Psalm abwechselnd von Frauen aus Leipzig und Umgebung und Frauen von weiter her gesprochen wurde – frau wurde deutlich, wie sehr wir über die Grenzen der Entfernung miteinander verbunden sind.
Ein Gefühl, das erfrischt und berührt, näher bringt.

Die im Workshopheft abgedruckte Vesper kann als Muster für eine musikalische und frauenspezifische gottesdienstliche Gestaltung in ganz Deutschland wirken, was nach der Vesper durch die Mitnahme des Heftes allen möglich war und als Angebot auch gerne genutzt wurde. Hören und singen wir bald mehr von der Ewigen in Kiel, in München?

Ursula Reichert